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Blickwinkel und Perspektiven

Blickwinkel

Genauso wie wir auf die Objekte vor uns blicken, nimmt auch die Kamera eine bestimmte Position ein. Mit dem Begriff gehen wir zunächst auf den Höhenunterschied von Kamera und gefilmtem Objekt ein, also den vertikalen Blickwinkel. Dieser Unterschied kann durch Einstellungen am Stativ und Positionierung der Kamera beeinflusst werden und hat neben der Einstellungsgröße und Distanz ebenfalls einen großen Einfluss auf den Informationsgehalt sowie die Beziehung zum Objekt.
Untersicht
Normalsicht
Aufsicht
Auch hier ist die Kenntnis der Bildwirkungen sehr wichtig. Daraus ergeben sich Möglichkeiten, Beziehungen und Emotionen mit der Perspektive auszudrücken. Wie betone ich bestimmte Eigenschaften eines Objektes oder einer Person? Oder verdeutliche den Zuschauenden eine Beziehung, in der sie zu dem Gefilmten stehen sollen?
Überlegen Sie sich für die jeweiligen Blickwinkel Informationen, die damit besonders gut transportiert werden können sowie mögliche Einsatzzwecke in einem Video.
In der Untersicht nehmen gefilmte Objekte eine erhabene, überlegene oder sogar mächtige Position ein. Dies kann bewusst gewählt werden, um das Verhältnis zu den Zuschauenden zu verdeutlichen. In Abhängigkeit vom Filmobjekt kann es auch karikativ überspitzt wirken.
Der Blick nach oben gen Himmel kann auch genutzt werden, um sprichwörtlich Perspektiven zu erweitern, neue Horizonte zu erschließen, den Blick auf das große Ganze zu werfen.
Diese Perspektive vermittelt einen möglichst neutralen Eindruck vom gefilmten Objekt und ist in den meisten Szenarien der Standard. Auf Augenhöhe zu bleiben kann auch erfordern, die Position der Kamera an das Zielobjekt anzupassen. Besonders bei Interviews ist die Normalsicht zu empfehlen, da sie natürlich wirkt und den Zuschauenden eine unvoreingenommene Wahrnehmung der Interviewten ermöglicht.
In der Aufsicht oder Obersicht nehmen gefilmte Objekte eine unterlegene Position ein. Auch dies kann bewusst gewählt werden, um das Verhältnis zu den Zuschauenden zu verdeutlichen und kann in Abhängigkeit vom Filmobjekt karikativ überspitzt wirken. Beim Filmen von Personen (und vor allem in Interviews) ist mit dieser Perspektive jedoch immer ein künstliches Herabsetzen verbunden. Daher sollte der Einsatz bedacht werden.

Perspektiven

Mit Perspektiven wird nicht nur die relative Position der Kamera zum Objekt zum Ausdruck gebracht, sondern auch eine absolute Position der Kamera. Die absolute Kamerahöhe ist rein formal unabhägig von der vertikalen Ausrichtung des Blickwinkels. Praktischerweise sind in der Regel aber eine Untersicht oder eine Aufsicht und bestimmte Einstellungsgrößen damit verbunden.
Froschperspektive
Quelle: stux (Pixabay)
Vogelperspektive
Die Froschperspektive filmt bodennah, in der Regel verknüpft mit einer extremen Aufsicht und damit aus einer Position, die Zuschauende kaum selbst einnehmen können. Dies kann genutzt werden, um die Aufmerksamkeit und Faszination der Zuschauenden zu wecken und Informationen zu transportieren, die ohne diese extreme Perspektive nicht wahrgenommen werden können. Die Froschperspektive kann dafür gut mit Detailaufnahmen verknüpft werden, die diesen Effekt vergrößern.
Wie in diesem Beispiel können Objekte gefilmt werden, die durch die gewählte Perspektive noch größer erscheinen. Sie verbildlicht die reine Sachinformation und setzt Zuschauende und Objekte in eine Beziehung zueinander.
Die Vogelperspektive (Drohnenaufnahmen, Luftbilder) schaut aus größerer Distanz, in der Regel von oben, also in einer deutlichen Aufsicht, auf ein Filmobjekt oder eine gesamte Szene. Sie gibt damit einen Überblick und eignet sich besonders gut für Einleitungen, aber auch zum Ende eines Videos, um den Horizont zu erweitern und neue Perspektiven zu öffnen. Dieser Effekt wird noch einmal verstärkt, wenn er in Kombination mit einer Super-Totalen gewählt wird.
Im folgenden Abschnitt sollen noch zwei weitere Perspektiven mit erweiterter Bildsprache genannt werden, die für den fortgeschrittenen Videodreh genutzt werden können.
Die Kamera ist nicht nur neutraler Beobachterin. Die Position und Blickrichtung der Kamera hat Implikationen auf die Zuschauenden und ihr Verhältnis zum Gefilmten.
Over-The-Shoulder Shot
Point-Of-View Shot
Beim Over-The-Shoulder Shot (OTS) blickt die Kamera einer Person über die Schulte. Das Bild wird also durch die Kopf- und Schulterpartie teils eingerahmt. Mit dieser Perspektive wird der Blick auf das gelenkt, was eine Person vor sich hat, wo sie hinblickt, womit sie sich beschäftigt. Die Kamera nähert sich so der Blickrichtung der Person behutsam an.
Die Einstellung eignet sich besonders, um Interaktionen wie ein Gespräch zwischen zwei Personen wechselseitig im Schuss-Gegenschuss-Format wiederzugeben, wobei jedoch die Handlungsachse nicht übersprungen werden darf. Das heißt, wenn bei Person A über die rechte Schulte gefilmt wird, wird bei Person die linke Schulter gewählt. Andernfalls führt die Konstellation zu räumlicher Verwirrung der Zuschauenden.
Der Point-Of-View Shot (POV), auch subjektive Perspektive genannt, versetzt die Zuschauenden in die Rolle einer Protagonistin oder eines Protagonisten und nimmt genau den Blickwinkel dieser Person ein. Dabei wird mit einer bewegten Kamera gefilmt. Die Zuschauenden verlassen so ihre neutrale Position und werden direkt in die Handlung hinein versetzt.
Sie können mit einer durchdachten Wahl und vor allem Kombination der Perspektive lenken, welche zusätzlichen Informationen die Zuschauenden erreichen und wie sie mit dem Gefilmten in Beziehung treten. Denken Sie die Perspektive immer zusammen mit der Einstellungsgröße, um eine
gemeinsame Bildsprache zu sprechen.

Auch auf der nächsten Seite, auf der es um den Bildaufbau geht, spielt die Blickrichtung eine Rolle.